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Bi-hormonale Künstliche Bauchspeicheldrüsen-Systeme

Geschrieben von Profil | 24.06.2019 12:25:30

- ein Traum wird Realität

Closed-Loop-Systeme (geschlossene Systeme), die nur eine automatisierte Insulinpumpe umfassen, erleichtern den Alltag der Patienten und versprechen eine Entlastung beim Diabetes-Selbstmanagement. Doch gibt es hier noch weitere Möglichkeit die Blutzuckereinstellung zu verbessern. Bi-hormonale Closed-Loop-Systeme erreichen die Blutzuckerkontrolle durch eine subkutane (unter die Haut) Infusion von Insulin und Glukagon als Antwort auf Blutzuckerwerte, die mittels eines Sensors zur kontinuierlichen Glukosemessung im Unterhautfettgewebe gemessen werden (kontinuierliches Glukosemessgerät). Dieses bi-hormonale System ahmt das physiologische (körpereigene) Muster der Insulin- und Glukagonausschüttung der gesunden Bauchspeicheldrüse (künstliche Bauchspeicheldrüse) viel enger nach als Systeme, die nur eine Insulinpumpe beinhalten.

Wenn die Blutzuckerwerte die Tendenz zeigen zu fallen, wird Glukagon in Minidosierungen verabreicht, um der Insulinwirkung entgegen zu wirken und eine drohende Unterzuckerung zu verhindern [1]. Glukagon führt zu einer schnellen Umwandlung von Glycogen (einer Speicherform von Glukose) in der Leber zu Glukose, die daraufhin in die Blutbahn freigesetzt wird. Bisher stellten die komplexe Technologie von Kontroll-Algorithmen, die die automatische Steuerung der Hormonpumpen übernehmen, entsprechende Hardware und die Entwicklung von stabilen Glukagon-Formulierungen, die länger in Closed-Loop-Systemen angewendet werden können, große Herausforderungen bei der Entwicklung dar.

Fortschritte in der Entwicklung

Ein bedeutender Fortschritt war, dass die Untersuchung und Bewertung der künstlichen Bauchspeicheldüsen-Systeme in den letzten Jahren aus hoch kontrollierten experimentellen Bedingungen hin zu alltäglichen Lebensbedingungen (zu Hause bei den Patienten) verschoben werden konnte. In verschiedenen Studien konnte die kurzzeitige Wirksamkeit und Sicherheit der automatisierten Insulin- und Glukagonabgaben in künstlichen Bauchspeicheldrüsen Systemen bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 gezeigt werden [2, 3, 4, 5, 6]. Es konnte im Vergleich zur konventionellen (Basal- / Bolusinsulin Therapie) und sensorgestützten Insulinpumpentherapie gezeigt werden, dass die bi-hormonalen Closed-Loop-Systeme eine verbesserte Blutzuckereinstellung erreichen ohne Notwendigkeit Kohlenhydrate zu den Mahlzeiten zu zählen [7]. Ein systematischer Überblick über mehrere Studien konnte zeigen, dass durch die Anwendung von bi-hormonalen Closed-Loop-Systemen im Vergleich zur alleinigen Insulinpumpentherapie mehr Zeit im Blutzuckerzielbereich erreicht werden konnte [8]. Nach kontinuierlichem sportlichen Training und nach Intervalltraining konnte durch die Zugabe von Glukagon in Minidosierungen neben der verbesserten Blutzuckerkontrolle das Auftreten von Unterzuckerungen gesenkt werden [9]. Obwohl durch die zusätzliche Anwendung von Glukagon ein komplexeres Closed-Loop-System notwendig ist und höhere Kosten entstehen, scheint die zusätzliche Anwendung von Glukagon durch reduzierte Kalorienaufnahme und Erhöhung des Energieverbrauchs Vorteile zu bieten, wenn dies im Zusammenhang mit dem zunehmenden Auftreten von Übergewicht und Fettleibigkeit betrachtet wird [10, 11].

Technische Fortschritte bei Closed-Loop-Systemen

Die zukünftigen kontinuierlichen Glukosemonitoring (CGM) Geräte werden kleiner und können über einen längeren Zeitraum angewendet werden [12]. Die Geräte erfordern zunehmend weniger Kalibrationen und bieten eine verbesserte Ablesegenauigkeit besonders im Bereich hoher und niedriger Blutzuckerwerte und verfügen über eine reduzierte Zeitverzögerung bei der kontinuierlichen Glukoseüberwachung. Des Weiteren entwickelt man selbstlernende sich adaptierende Algorithmen [13, 14]. Dies sind personalisierte Systeme, die sich an Blutzuckerschwankungen durch Verhalten und Verfassung des Patienten anpassen. Langfristige Studien mit bi-hormonalen Closed-Loop-Systemen (z. B. iLet system/Boston, United States), die als potentiell letzter Schritt zur regulatorischen Zulassung des Systems konzipiert werden, sind auf dem Weg. Blutzuckerdaten und Infusionsdaten von Insulin und Glukagon werden für den Anwender zukünftig über mobile Geräte (Mobiltelefon oder Watch) und für Fachpersonal im Gesundheitswesen über eine Webplattform zugängig.

Was bringt die Zukunft bezüglich der dualen Hormone Insulin und Glukagon?

Die zur Zeit verfügbaren schnell-wirksamen Insulinanaloga mit ihrem relativ langsamen Wirkbeginn nach subkutaner Verabreichung und die geringe Stabilität, der auf dem Markt befindlichen Glukagon-Formulierungen stellen aus der Kontrollperspektive eine gewisse Herausforderung dar [15]. Die Anwendung noch schneller wirksamer Insulinanaloga, die einen schnelleren Wirkbeginn und eine kürzeren Wirkdauer zeigen, könnten die Anwendung in Closed-Loop-Systemen verbessern.

Humanes Glukagon ist ein sehr instabiles Eiweiß, welches innerhalb eines Tages unwirksam wird [16]. Da Glukagon ursprünglich zur einmaligen Anwendung zur Behandlung der schweren Unterzuckerung entwickelt wurde, muss die Injektionslösung vor jeder Gabe frisch hergestellt werden und unmittelbar angewendet werden [17, 18]. Stabilitätsdaten über 24 Stunden wurden erst vor kurzem veröffentlicht. Dennoch bedeutet dies, dass derzeit verfügbares Glukagon alle 24 Stunden in der bihormonalen Pumpe erneuert werden muss [19]. 

Um sich den derzeitigen Glukagon Stabilitätsproblemen zu stellen, hat die derzeitige Forschung den Fokus auf die Entwicklung stabiler löslicher Glukagon-Formulierungen gelegt, die eine langfristige Stabilität und Kompatibilität (Verträglichkeit) in der Pumpenanwendung beibehalten [20, 21]. Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit stabiler Glukagon-Formulierungen an einem größeren Patientenkollektiv (Phase II and III Studien), wurden bisher von Zealand Pharma A/S and Xeris Pharmaceuticals vorgelegt [22]. Xeris Pharmaceuticals gab letztes Jahr die Einreichung auf Zulassung des HypoPens™ zur Behandlung schwerer Unterzuckerung bei der Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelbehörde der Vereinigten Staaten (FDA) bekannt. Profil ist in die Entwicklung des stabilen Glukagon Analogon (synthetisch hergestellt) von Zealand Pharma (dasiGlukagon) involviert. DasiGlukagon wird zur Notfallbehandlung der schweren Unterzuckerung (HypoPal® rescue pen) und für die Anwendung in der bi-hormonalen Pumpentherapie entwickelt [ 23, 24]. Vielversprechende Ergebnisse einer größeren Phase III Studie von Zealands dasiGlukagon zur Notfallbehandlung der schweren Unterzuckerung wurden auf dem diesjährigen amerikanischen Diabetes Kongress (American Diabetes Association 79th Scientific Session (ADA)) vorgestellt [25]. Bisher wurde eine Machbarkeitsstudie zu Zealands dasiGlukagon unter Anwendung in einem bi-hormonalen Closed–Loop-System (Beta Bionics, Boston, Massachusetts) veröffentlicht. Die Studie konnte zeigen, dass die Gabe von dasiGlukagon unter nüchternen Bedingungen bei hohen Insulinspiegeln im Blut in Kombination mit körperlichem Training mit der Verabreichung von humanem Glukagon vergleichbar ist [26]. Zealand Pharma arbeitet zurzeit mit Beta Bionics an einer nächsten Generation eines bi-hormonalen Closed-Loop-Systems mit eingebautem Algorithmus. Die erste Studie zur Anwendung unter Alltagsbedingungen zu Hause bei den Patienten wurde gestartet. Eine Zulassung der bi-hormonalen Closed-Loop Version ist für 2022 vorgesehen. 

Perspektiven

Während die ersten kurzzeitigen Studien sehr vielversprechende Ergebnisse zeigten, sind langfristige Studien notwendig, um weitere mögliche Vorteile der Wirksamkeit und Sicherheit nach längerer Glukagon (Analogon) Anwendung zu zeigen [27]. Langzeit-Sicherheit und Verträglichkeit wurde nach chronischer Verabreichung von Zealands dasiGlukagon bei Tieren gezeigt. Die Ergebnisse von positiven Studien an Tieren unterstützen die Durchführbarkeit einer Anwendung in bi-hormonalen Closed-Loop-Systemen beim Menschen [28]. Insbesondere in Situationen mit schnell fallenden Blutzuckerwerten wie z. B. spät nach einer Mahlzeit oder nach intensivem sportlichen Training, könnte die Anwendung eines bi-hormonalen Closed-Loop-Systems große Vorteile bieten. Weitere Langzeitstudien sind notwendig, um mögliche Vorteile für Patienten, die an einer Wahrnehmungsstörung von Unterzuckerungen leiden, zu zeigen [29]. Die Zulassung der nächsten Generation eines bi-hormonalen Closed-Loop-Systems in Kombination mit einer stabilen Glukagon-Formulierung in naher Zukunft, könnten den Traum einer bi-hormonalen Therapie (künstliche Bauchspeicheldrüse) im kompletten Closed-Loop Setting Realität werden lassen.