Unser Diabetes-Blog

Wirkung von Tirzepatid bei Typ 2 Diabetes

Geschrieben von Profil | 01.08.2023 09:00:00

Wie wirkt sich Tirzepatid auf die Insulinsensitivität bei Erwachsenen aus?

Tirzepatid ist ein Medikament, das die Wirkung von zwei Hormonen nachahmt, die natürlich vom Körper produziert werden. Diese Hormone wirken auf zwei Rezeptoren: den Glukoseabhängigen-insulinotropen-Polypeptid-(GIP-)Rezeptor und den Glukagon-like-Peptid-1-(GLP-1-)Rezeptor. Am 15. September 2022 wurde Tirzepatid unter dem Handelsnamen Mounjaro® von der EU-Kommission zur Behandlung von Erwachsenen mit unzureichend eingestelltem Typ 2 Diabetes mellitus als Ergänzung zu Diät und Bewegung zugelassen.1 Tirzepatid verbessert die Blutzuckereinstellung durch Senkung der Nüchtern-Glukosekonzentration sowie der Zuckerspiegel nach dem Essen über unterschiedliche Mechanismen. Tirzepatid wird einmal wöchentlich unter die Haut von Bauch, Oberschenkel oder Oberarm gespritzt. Zum Zeitpunkt der Studiendurchführung war Tirzepatid noch nicht zugelassen. Inzwischen wurden weitere Daten dieser Studie veröffentlicht.2 

Warum wurden diese Studien durchgeführt?

Diese Studie untersuchte primär die Wirkung von Tirzepatid auf die Insulinsensitivität (der Begriff beschreibt, wie gut der Körper auf Insulin reagiert) sowie auf die Insulinsekretion 
(-abgabe) aus den Betazellen der Langerhansschen Inseln der Bauchspeicheldrüse mit Berechnung entsprechender Messgrößen bei Patienten mit Typ 2 Diabetes mellitus. Ebenfalls untersucht wurde die Auswirkung auf den Blutzuckerverlauf nach einer Testmahlzeit. 
Hierzu wurde Tirzepatid mit Semaglutid (Ozempic®, ein Medikament, das schon zur Behandlung von Typ 2 Diabetes zugelassen ist) und einem Scheinmedikament (Placebo) verglichen. Bewertet wurden die Pharmakodynamik, d. h. die Wirkung des Prüfpräparates auf den Körper, sowie die Pharmakokinetik, d. h. der Verlauf der Konzentrationen des verabreichten Prüfpräparates im Blut. Der Vergleich mit Semaglutid und Placebo diente dazu, die Wirkungen und Nebenwirkungen von Tirzepatid besser beurteilen zu können. Welche der Behandlung die Teilnehmer erhielten, entschied ein zuvor festgelegtes Zufallsverfahren, die sogenannte Randomisierung (ein Verfahren ähnlich wie das Werfen einer Münze). Die Wahrscheinlichkeit, das Prüfpräparat Tirzepatid zu erhalten, lag bei 37,5 %. Die Wahrscheinlichkeit, das Vergleichspräparat Semaglutid oder Placebo zu erhalten, lag bei 37,5 % bzw. 25 %.

Die jeweilige Studienmedikation wurde einmal wöchentlich für 28 Wochen von geschultem medizinischen Personal unter die Haut in der Nähe des Bauchnabels gespritzt. Für Tirzepatid wurde die Dosis schrittweise vom Anfang bis zu Woche 21 alle 4 Wochen erhöht – von 2,5 mg in Woche 1 bis auf 15 mg in Woche 21, was dann bis zur letzten Dosierung in Woche 28 fortgeführt wurde. Die Dosiserhöhung für Semaglutid fand in den ersten 8 Wochen der Studie statt: Start mit 0,25 mg in Woche 1, dann 0,5 mg in Woche 5 und ab Woche 9 bis Woche 28 1,0 mg Semaglutid. Zusätzlich wurden die Sicherheit und die Verträglichkeit untersucht. 


Was geschah während der Studien?

Während der Studie fanden insgesamt 32 Besuche statt, 30 davon waren ambulant und zwei stationär (Besuch 2 mit 3 Übernachtungen und Besuch 31 mit 2 Übernachtungen).

Zur Bestimmung der Insulinsensitivität und Insulinsekretion wurde zu Beginn und nach 28 Wochen Behandlung eine sogenannte Clamp-Untersuchung vorgenommen. Hierzu wurden die Teilnehmer an ein Clamp-Gerät (eine Art künstliche Bauchspeicheldrüse) angeschlossen und mussten etwa 8 Stunden im Bett liegen und nüchtern bleiben. Wasser durfte nach Belieben getrunken werden.

Das Clamp-Gerät ist ein Gerät mit einem integrierten Computer, das den Blutzuckerspiegel auf einem konstanten Wert hält. Dies wird durch Infusionen von Traubenzucker- und Insulinlösungen erreicht. Das Clamp-Gerät kann auf verschiedene Blutzuckerkonzentrationen eingestellt werden. Hierdurch können Aussagen zur Reaktion des Körpers auf Insulin und Glukose gemacht werden. 
Unmittelbar nach Anschluss an das Clamp-Gerät kontrollierte dieses durch die Infusion von Glukose oder Insulin (falls nötig) den Blutzuckerspiegel. Es wurden zwei Clamps mit einer Pause dazwischen durchgeführt:

Hyperinsulinämischer Clamp: Hierfür wurde Insulin zusammen mit Glukose kontinuierlich infundiert, um den Blutzucker auf einem normalen Wert zu halten (100 mg/dl). Diese Prozedur dauerte 3,5 Stunden. Nach dem Clamp mussten die Teilnehmer für etwa 1,5 Stunden im Bett liegen bleiben, bis zum Beginn des nächsten Clamps (erneute Nüchternphase bis zum Clamp-Ende). 

Hyperglykämischer Clamp: Während dieses Teils wurde der Blutzucker auf einen hohen Wert gebracht (216 mg/dl) und für 2,5 Stunden dort gehalten. Ca. 30 Minuten vor dem Ende wurde Arginin als intravenöse Injektion verabreicht (eine Substanz, die natürlicherweise im Körper vorkommt und viele Funktionen hat, wie z.B. Zellteilung und Hormonausschüttung). Dies diente dazu, zu untersuchen, inwiefern der Körper nach der Injektion Insulin ausschüttete. 

Am Tag vor den Clamps (zu Beginn und nach 28 Wochen) fand ein standardisierter Mahlzeitentest statt. Zu den Sicherheitserhebungen gehörten Laborwerte, Vitalzeichen wie Herzfrequenz und Blutdruck, EKG, unerwünschte Ereignisse/therapiebedingte Nebenwirkungen. 

Was waren die Ergebnisse der Studien?

Insgesamt 117 Teilnehmer (davon 31 Frauen) mit einem mittleren Alter zwischen 60 und 64 Jahren wurden in die Studie eingeschlossen, von denen alle in die Sicherheitsauswertung eingingen (45 in der 15-mg-Tirzepatid-Gruppe, 44 in der 1-mg-Semaglutid-Gruppe, 28 in der Placebogruppe) sowie 112 Teilnehmer in die Auswertung zur Pharmakodynamik.

Es kam zu bedeutsamen Verbesserungen der Gesamt-Insulinsekretionsrate und der Insulinsensitivität unter Tirzepatid verglichen mit Semaglutid. Beim Mahlzeitentest verminderte Tirzepatid gegenüber dem Scheinmedikament relevant die Glukoseverläufe nach dem Essen sowie die Konzentrationen von Glucagon (Gegenspieler von Insulin), und diese Effekte waren auch ausgeprägter als mit Semaglutid.

Das Sicherheitsprofil von Tirzepatid und Semaglutid war ähnlich – die häufigsten therapiebedingten Nebenwirkungen bezogen sich auf den Magen-Darm-Trakt: Übelkeit trat bei 11 Teilnehmern (24 %) mit Tirzepatid auf, bei 13 Teilnehmern (30 %) mit Semaglutid und bei 7 Teilnehmern (25 %) mit Placebo. Durchfall hatten 9 Tirzepatid-Teilnehmer (20 %), 13 Semaglutid-Teilnehmer (30 %) und 6 Placebo-Teilnehmer (21 %). Zu Erbrechen kam es bei 3 Teilnehmern (7 %) unter Tirzepatid, bei 5 Teilnehmern (11 %) unter Semaglutid und bei einem Teilnehmer (4 %) unter Placebo.

Welche Bedeutung haben die Studienergebnisse?

Die Wirksamkeit von Tirzepatid auf den Zuckerstoffwechsel bei Typ 2 Diabetes beruht auf einer gleichzeitigen Verbesserung von Schlüsselkomponenten der Diabetes-Entstehungs- und Funktionsmechanismen, dies sind: Betazellfunktion, Insulinsensitivität und Glucagonsekretion. Diese Effekte waren ausgeprägt und helfen, die beachtliche blutzuckersenkende Wirkung von Tirzepatid, die in den großen Zulassungsstudien gesehen wurde, zu verstehen. 

* Diese Ergebnisse wurden bereits in einer wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht (Heise T u. a. Lancet Diabetes Endocrinol 2022). Wenn Sie weitere Details der Studie interessieren, können Sie sich gern an uns wenden.      

1 Mounjaro [Fachinformation]. Eli Lilly Nederland B.V., Niederlande. Abgerufen am 04.07.2023 von: 
https://www.ema.europa.eu/en/documents/product-information/mounjaro-epar-product-information_de.pdf. 

2 Heise T u. a. Diabetes Care 2023.