Unser Diabetes-Blog

Unsere Mikrobiota und Typ 2 Diabetes

Geschrieben von Profil | 10.07.2018 08:09:00

Mikroorganismen, wie z. B. Bakterien, Pilze und Viren,  wurden über viele Jahre ausschließlich mit Krankheiten in Verbindung gebracht. Als Reaktion darauf wurden vielerlei Maßnahmen getroffen, diese Mikroorganismen zu bekämpfen: sei es im Alltag durch einen häufigen Gebrauch von Desinfektionsmitteln oder in der Medizin, z. B. durch die Gabe von Antibiotika. Obwohl es Umgebungen gibt, in denen eine möglichst geringe Keimbelastung unerlässlich ist, z. B. in einem Operationssaal, muss man grundsätzlich zwischen Bereichen unterscheiden, in denen Mikroorganismen unsere Gesundheit gefährden (z. B. in unserem Blutkreislauf) und jenen, in denen sie uns sogar helfen (z. B. in unserem Dickdarm).

Vor diesem Hintergrund haben Forscher in den letzten Jahren herausgefunden, dass die Mikroorganismen, die auf und in unserem Körper leben (d.h. jene Oberflächen, die mit der Außenwelt in Kontakt treten, z. B. die Haut, Nasen- und Mundhöhlen, der Magen-Darm-Trakt etc.), in der Tat nicht schädlich für uns sind. Ganz im Gegenteil können unsere eigenen Mikroorganismen zu unserer Gesundheit und unserem Wohlbefinden beitragen und uns vor Krankheitserregern (durch Bildung einer Schutzschicht im Darm gegen pathogene Erreger von außen [1]) schützen. Darüber hinaus wurde die Komplexität und Vielfalt unserer Darmmikrobiota untersucht, das Fehlen oder Missverhältnis welche teilweise für die Entwicklung bestimmter Krankheiten wie z.B. Fettleibigkeit und Typ 2 Diabetes verantwortlich sein könnten [2].

Die Darmbakterien jedes Einzelnen

Die Darmmikrobiota ist so individuell wie der eigene Fingerabdruck [3]. Die Zusammensetzung der Mikroorganismen ist teilweise erblich bedingt und festigt sich in den ersten drei bis fünf Lebensjahren. Weitere Einflussfaktoren sind die Art der Geburt (natürliche Geburt vs. Kaiserschnitt), die Art der Säuglingsernährung (Stillen vs. Formula), eine frühe Verabreichung von Antibiotika und ob es sich um eine Frühgeburt handelt [4]. Studien haben gezeigt, dass ein Baby in Bezug auf die Mikrobiota idealerweise auf natürlichem Weg zur Welt kommt, wodurch ein erster Kontakt mit den Laktobazillen der Vagina der Mutter hergestellt wird. Zusätzlich wirkt sich die Gabe von Muttermilch [5], welche als natürliches Probiotikum dient (und diverse weitere nahrhafte und schützende Substanzen enthält) sowie die fehlende Einnahme von Antibiotika und das Ausbleiben von Krankenhausaufenthalten  positiv auf die Entwicklung der Mikrobiota des Kindes aus.

Auch im Erwachsenenalter bleibt unsere (Darm-) Mikrobiota anfällig für Einflüsse von außen. Für die Gesundheit unseres Darms ist es wichtig, jenen Bakterienarten eine Umgebung zu schaffen,  welche uns gesundheitlich von Nutzen sind. Durch eine Ernährung, welche bestimmten Bakterienarten in unserem Dickdarm als Nahrung dient, können wir gezielt positive Effekte auf unsere Gesundheit erzielen.

Nahrung für uns und unsere Mikroben

In unserem Dickdarm befindet sich eine Biomasse von Mikroorganismen mit einem Gesamtgewicht von bis zu 1,5 kg, die aus ca. 160 Arten besteht [6]. 90 % hiervon sind entweder den Bacteroides oder Firmicutes zuzuordnen [7]. Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass das Verhältnis dieser beiden Stämme eine entscheidende Rolle dabei spielt, wie Nahrungsmittel in unserem Darm verstoffwechselt werden. Dies wiederum hat möglicherweise einen Einfluss auf die individuelle Statur (schlank oder adipös), wobei besonders Übergewicht zum Auftreten von Typ 2 Diabetes führen kann.

Während die Ernährung, der Lebensstil, die Genetik und der soziale Status jeder Person wichtige Einflüsse für die Entwicklung von Fettleibigkeit bilden, unterscheiden sich grundsätzlich auch die Darmmikroben von schlanken und adipösen Menschen. In einer Studie [8] wurde der Stuhl von eineiigen Zwillingen in keimfreie Mäuse transplantiert, wobei ein Zwilling von adipöser und einer von schlanker Statur war. Bei gleicher Ernährung entwickelten die Mäuse, welche Darmmikroben des übergewichtigen Zwillings erhalten hatten, deutlich mehr Körperfett als die Mäuse, die Mikroben vom schlanken Zwilling erhalten hatten. Die Ergebnisse dieser Studie deuten auf die Bedeutsamkeit  der Mikrobiota bei der Regulierung des Körpergewichts hin. Im Allgemeinen zeigt die Mikrobiota von adipösen Individuen eine geringere Vielfalt als die von schlanken.

Während das ideale Verhältnis von Mikroorganismen in unserem Dickdarm noch nicht sicher erforscht ist, wurden die Abbaustoffe ihrer Stoffwechselwege bereits sorgfältig untersucht. Diese Stoffwechselprodukte, sogenannte kurzkettige Fettsäuren [9] (Butyrat, Propionat und Acetat) stehen im Zusammenhang  mit positiven gesundheitlichen Aspekten, z. B. einer verbesserten Insulinempfindlichkeit, einem entzündungshemmenden Potential und Hemmung der Bildung von Cholesterin.

Da uns Menschen die Fähigkeit fehlt, Ballaststoffe selbst zu verdauen, verdauen unsere Mikroorganismen im Dickdarm diese Nahrungsbestandteile und versorgen uns durch die anfallenden Abbaustoffe wiederum mit wichtigen Nährstoffen. Dazu bilden sie Vitamine und Aminosäuren und dienen in ihrer Gesamtheit als schützende Barriere. Daher ist der Verzehr ausreichender Mengen an Ballaststoffen notwendig, um Milliarden von Mikroben in unserem Dickdarm zu ernähren. Übrigens führt eine überwiegend aus Fett und Zucker bestehende Ernährung nicht nur zu einer vermehrten Bildung von Fettgewebe, sondern auch zu einer Veränderung der Mikrobiota und zu einer Reduktion ihrer Vielfalt.

Schlussfolgerung

Obwohl es noch unklar ist, ob eine gesunde Darmmikrobiota die Ursache oder das Ergebnis eines gesunden Körpers ist, besteht die Wahrscheinlichkeit, dass man mit einer gesunden Ernährung nicht nur die eigene Gesundheit, sondern auch die der Mikrobiota unterstützt. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) [10] empfiehlt aktuell eine tägliche Aufnahme von mindestens 30 g Ballaststoffen pro Tag. Dies kann zur Gewichtsreduktion beitragen, den Blutzuckeranstieg nach einer Mahlzeit reduzieren und die Blutfette positiv beeinflussen. Veränderungen der Darmmikrobiota können so früh wie 24 Stunden [11] nach Ernährungsumstellung sichtbar werden und, bei Beibehaltung dieser Ernährung, sich langfristig festigen.  Zukünftige Studien werden zeigen, wie man die Mikroorganismen gezielt stärken und eine für uns positive Verteilung bewirken kann.  Obwohl wir gerade erst damit anfangen, den Einfluss unserer Mikrobiota auf unsere Gesundheit zu verstehen, sollten wir stets bedenken, dass wir mit dem, was wir essen, nicht nur uns ernähren, sondern unsere Mikroorganismen ebenfalls.