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Schützt SAR247799 die Innenschicht der Blutgefäße?

Geschrieben von Profil | 01.06.2021 08:00:00

Erste klinische Daten bei Studienteilnehmern mit Typ 2 Diabetes

Sphingosin-1 Phosphat (S1P) ist eine chemische Verbindung, die natürlicherweise in hoher Konzentration im Blut gesunder Personen vorkommt – man glaubt, dass S1P bei der Aufrechterhaltung gesunder Gefäße eine wichtige Rolle spielt. Bei Diabetes sind die S1P-Blutspiegel erniedrigt. SAR247799 ist ein in der klinischen Entwicklung befindlicher sogenannter G-Protein-beeinflusster Sphingosin-1-Phosphatrezeptor-1-(S1P1-)Agonist (ein Agonist ahmt die Wirkung der Ursprungssubstanz nach). SAR247799 soll insbesondere die Innenschicht der Blutgefäße – das Endothel – schützen. Denn eine Funktionsstörung des Endothels spielt bei der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und von Arteriosklerose (Gefäßverkalkung) eine Schlüsselrolle. Mit einer nicht belastenden Untersuchung, der FMD (Flow-Mediated VasoDilation, flussvermittelte Gefäßerweiterung), lässt sich eine Endothel-Funktionsstörung gut feststellen. Dabei zeigen höhere FMD-Werte an, dass Gefäße (beziehungsweise das Endothel) besser auf einen Reiz wie beispielsweise einen Verschluss reagieren können.

Warum wurde diese Studie durchgeführt?

Diese Studie untersuchte bei erwachsenen Studienteilnehmern mit Typ 2 Diabetes, ob eine 4-wöchige Behandlung mit SAR247799 zu günstigen Wirkungen auf das Endothel führt – gemessen anhand von Veränderungen der FMD. Diese Wirkungen wurden mit der Anwendung von folgenden Substanzen verglichen:

  • Sildenafil (bekannt u. a. als Viagra®, als positive Kontrolle mit nachgewiesener Verbesserung der FMD bei Typ 2 Diabetes)
  • Placebo (Scheinmedikament) als Kontrolle ohne Wirkung  

Was geschah während der Studie?

In 2 deutschen Studienzentren – Profil Neuss und Profil Mainz – erhielten insgesamt 54 Studienteilnehmer (39 Männer/15 Frauen, mittleres Alter 56,5 Jahre) mit Typ 2 Diabetes und einer leichten Funktionsstörung des Endothels (FMD <7 %) für 28 Tage morgens nüchtern eines der folgenden Medikamente:

  • 1 mg SAR247799 (n=15, 1. Gruppe)
  • 5 mg SAR247799 (n=15, 2. Gruppe)
  • 50 mg Sildenafil (n=12)
  • Placebo (n=12)

Jeder Teilnehmer erhielt nur eines der aufgeführten Studienmedikamente. 53 Teilnehmer schlossen die Studie ab. Zur Vermeidung einer etwaigen Beeinflussung wussten weder das unmittelbar an der Studie beteiligte Studienpersonal noch die Studienteilnehmer, wem welche Behandlung – nach dem Zufallsprinzip – zugeordnet war (sogenannte doppelte Verblindung). Darüber hinaus waren die Kapseln und (Sicht-)Verpackungen vom äußeren Aspekt her für alle Behandlungen identisch (sogenanntes doppeltes Dummy-Design). Im Notfall konnte die Zuordnung nachgesehen werden.

Es gab während der Studie insgesamt 6 stationäre Aufenthalte: bei Behandlungsbeginn einen Aufenthalt von 4 Tagen, plus 5 weitere Aufenthalte bis zum Tag 42 mit jeweils einer Übernachtung – für die FMD-Messungen. Die Untersuchungen fanden in einem ruhigen, temperaturkontrollierten Raum statt. Oberhalb des Ellbogens wurde mittels Ultraschall der Durchmesser der Oberarmarterie bestimmt, und zwar initial nach 15-minütiger Ruhephase im Liegen sowie nach reaktiver Mehrdurchblutung. Diese wurde erzielt durch Aufpumpen einer Blutdruckmanschette im Bereich des Unterarms auf 200 mm Hg (Quecksilbersäule) über 5 Minuten und anschließendes plötzliches Druck-Ablassen mit erneuten Messungen des Oberarmarterien-Durchmessers über einen Zeitraum von insgesamt 2 Minuten.  

Darüber hinaus wurden die SAR247799-Spiegel im Blut gemessen.
Für die Sicherheit der Teilnehmer wurden therapiebedingte Nebenwirkungen erfasst, körperliche Untersuchungen durchgeführt, Vitalzeichen (Blutdruck, Pulsfrequenz) sowie Laborwerte bestimmt und eine kontinuierliche EKG-Überwachung (Telemetrie) vorgenommen.  

Was waren die Ergebnisse der Studie?

Die maximale Veränderung der FMD war für alle Behandlungen an Tag 35 (Einnahme der Medikamente bis Tag 28) erreicht: Die mittleren Unterschiede im Vergleich zum Scheinmedikament waren 0,60 % für 1 mg SAR247799, 1,07 % für 5 mg SAR247799
sowie 0,88 % für 50 mg Sildenafil. Insgesamt kam es unter SAR247799 zu einer dosis-abhängigen Verbesserung der FMD: unter 5 mg mehr als unter 1 mg und wiederum unter
1 mg mehr als unter Placebo an den Tagen
21, 28, 35 und 42. Beide SAR247799-Dosierungen zeigten außerdem eine zeitabhängige Verbesserung der FMD, wobei diese Verbesserung an Tag 14 am geringsten war und mit jedem fortschreitenden Messtag (Tag 21, Tag 28 und Tag 35) anstieg.

Beide SAR247799-Dosierungen waren gut verträglich. Es gab keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse und keine schweren therapiebedingten Nebenwirkungen. Ein Teilnehmer der Sildenafil-Gruppe brach die Studie wegen leichtgradiger ventrikulärer Extrasystolen (zusätzliche Impulse in der Herzkammer) ab. Insgesamt gab es bei 19 der 54 Teilnehmer – etwas häufiger in der SAR247799- und Sildenafil-Gruppe als unter Placebo – zumindest eine therapiebedingte Nebenwirkung. Am häufigsten waren dies leichte Kopfschmerzen (5x) und leichte Nasen-/Rachenentzündungen (4x), die sich ausnahmslos wieder zurückbildeten. Beide SAR-Dosierungen wirkten sich nicht auf den Blutdruck aus. An Tag 14 kam es in der 5-mg-Gruppe gegenüber Placebo zu einem Abfall der Herzfrequenz von –6 Schlägen pro Minute, was an Tag 21 und 28 etwas geringer ausgeprägt war (und möglicherweise auf eine Desensibilisierung, also ein Unempfindlich-Werden, gegenüber S1P hinweist).    

Welche Bedeutung haben die Studienergebnisse?

Diese Studie untersuchte zum ersten Mal die Effekte einer S1P1-Aktivierung auf die Funktion der Innenschicht der Blutgefäße bei Studienteilnehmern mit Typ 2 Diabetes mit einer leichten Funktionsstörung des Endothels. SAR247799 zeigte eine dosisabhängige Verbesserung der FMD über 4 Wochen, die mit Sildenafil vergleichbar war (in der 5-mg-Gruppe). Der in der Studie beobachtete FMD-Anstieg zeigt also an, dass sich die Reaktion der Gefäße beziehungsweise des Endothels (sogenannte Gefäßreagibilität) verbessert hat. Diese Effekte waren unabhängig von einer Blutdrucksenkung. Ein wichtiges Ergebnis war, dass die Wirkung von SAR247799 nach Ende der Behandlung und Absetzen der Substanz bestehen blieb. Dies könnte bedeuten, dass sich die verbesserte Funktion des Endothels allgemein positiv auf eine Herz-Kreislauf-Erkrankung und/oder eine Gefäßverkalkung auswirkt.

Beide SAR-Dosierungen waren gut verträglich, hatten keine bedeutsame Auswirkung auf den Blutdruck und führten zu einem leichten bis mäßigen Abfall der Pulsfrequenz.

Die in dieser Studie beobachteten positiven Effekte von SAR247799 unterstützen die weitere Entwicklung von S1P1-Agonisten bei Erkrankungen, die mit einer Funktionsstörung des Endothels einhergehen.

*Diese Ergebnisse wurden bereits in einer wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht (Bergougnan L u.a. Br J Clin Pharmacol 2020). Wenn Sie weitere Details der Studie interessieren, können Sie sich gerne an uns wenden.