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Wie wirken Lixisenatide und Liraglutide auf die Funktion von Speiseröhre und Magen bei Patienten mit Typ 2 Diabetes?

Geschrieben von Profil | 26.01.2021 09:00:00

Lixisenatide ist ein kurz wirksamer, Liraglutide ein lang wirksamer GLP-1-Rezeptoragonist
(Agonist = Imitator/Nachahmer). GLP-1 (Glucagon-like Peptide-1) ist ein körpereigenes Hormon mit folgenden Effekten: Es senkt glukoseabhängig (zuckerabhängig) den Blutzucker, indem es bei zu hohen Blutzuckerwerten die Insulinfreisetzung aus den Betazellen der Bauchspeicheldrüse stimuliert und die Ausschüttung des Gegenhormons Glucagon hemmt. Außerdem verzögert es die Magenentleerung und reduziert aufgrund einer Appetitverringerung das Körpergewicht.  
 

Warum wurden diese Studien durchgeführt?

Kurz wirksame GLP-1-Rezeptoragonisten verzögern die Magenentleerung mehr als langwirksame GLP-1-Rezeptoragonisten. Eine verzögerte Magenentleerung ist ein Risikofaktor für einen Rückfluss von Magensäure in die Speiseröhre (sogenannte Reflux-Krankheit). Diese Studie untersuchte daher die Auswirkungen einer 10-wöchigen Behandlung mit Lixisenatide bzw. Liraglutide hinsichtlich Säurerückfluss, Speiseröhrenfunktionsfähigkeit sowie Magenentleerung und Magensäurefreisetzung. Hierzu fanden verschiedene Untersuchungen vor sowie nach der 10-wöchigen Behandlungsphase statt.

Was geschah während der Studien?

Die Studiendurchführung erfolgte in 2 deutschen Studienzentren bei Profil Neuss sowie im Diabetes-Zentrum des St. Josef-Hospitals Bochum. Erwachsene mit Typ 2 Diabetes wurden 10 Wochen lang entweder mit Lixisenatide oder mit Liraglutide behandelt – jeweils 1x täglich morgens 30 Minuten vor dem Frühstück. Zur Vermeidung einer etwaigen Beeinflussung wusste das unmittelbar an der Studie beteiligte Studienpersonal nicht, welcher der beiden Behandlungen – nach dem Zufallsprinzip – die Teilnehmerin bzw. der Teilnehmer zugeordnet war (sogenannte einfache Verblindung).

Es wurden folgende Untersuchungen vorgenommen:

  • Speiseröhrenmanometrie (Druckmessung): zur Bestimmung der Funktionsfähigkeit der Speiseröhre einschließlich Erfassung von Fehlfunktionen des Schließmuskels zwischen Speiseröhre und Magen.
  • 24-Stunden-Messung des pH-Wertes in der Speiseröhre (der pH-Wert ist ein Maß für den sauren oder basischen Charakter einer wässrigen Lösung). Hiermit wurde auch ein Rückfluss von Magensäure in die Speisesäure erfasst.
  • 13C-Oktansäure-Atemtest: Dies ist eine nicht belastende Messung zur Bestimmung der Magenentleerungszeit. Die Durchführung erfolgte nüchtern sowie nach einer standardisierten Mahlzeit.
  • 13C-Calciumcarbonat-Atemtest: Dies ist ein ebenfalls nicht invasiver Test zur Bestimmung der Magensäurefreisetzung.

Die Sicherheitsaspekte umfassten ein Monitoring unerwünschter Ereignisse einschließlich symptomatischer und schwerer Unterzuckerungen sowie Störungen im Bereich des Magen-Darm-Trakts und Laborwerte.  

Was waren die Ergebnisse der Studien?

Insgesamt 57 Erwachsene mit Typ 2 Diabetes wurden in die Studie eingeschlossen. 50 Teilnehmer (32 Männer, 18 Frauen) schlossen die Studie ab. 26 von ihnen erhielten Liraglutide, 24 erhielten Lixisenatide. Das mittlere Alter lag bei 60 Jahren, die mittlere Diabetesdauer betrug 13,5 Jahre, der durchschnittliche HbA1c lag zu Studienbeginn bei 7,5 %.

 

Nach 10-wöchiger Therapie war die Magenentleerung bei beiden Behandlungen bedeutsam verzögert. Die Zeit, bis die Hälfte des Mageninhalts den Magen verlassen hatte, war bei Lixisenatide um 52 Minuten verzögert, bei Liraglutide um 25 Minuten. Es gab keinen bedeutsamen Unterschied zwischen Lixisenatide und Liraglutide hinsichtlich der Anzahl der Säurerückfluss-Episoden oder des Ausmaßes des Säurerückflusses vom Magen in die Speiseröhre. Bezogen auf die Ausgangswerte kam es auch zu keinen bedeutsamen Veränderungen anderer Werte der Speiseröhrenbeweglichkeit bzw. zu keiner relevanten Änderung der Funktion des Schließmuskels zwischen Speiseröhre und Magen nach Behandlung mit Lixisenatide oder Liraglutide. Die Magensäurefreisetzung fiel unter Therapie mit den GLP-1-Rezeptoragonisten bedeutsam um 21 % ab.    

Es gab keinen bedeutsamen Unterschied zwischen Lixisenatide und Liraglutide hinsichtlich Unterzuckerungen oder Nebenwirkungen im Bereich des Magen-Darm-Trakts. Alle Patienten mit einer Unterzuckerung waren zusätzlich unter Behandlung mit Insulin oder Sulfonylharnstoffen. Schwerwiegende Unterzuckerungen traten während der Studie nicht auf.  

Welche Bedeutung haben die Studienergebnisse?

Diese Studie hat gezeigt, dass Lixisenatide nach einem Frühstück einen stärkeren verzögernden Einfluss auf die Magenentleerung hatte als Liraglutide. Beide Substanzen hatten jedoch trotz dieses die Magenentleerung verzögernden Effekts keine relevante Auswirkung auf den Magensäurerückfluss in die Speiseröhre oder auf die Speiseröhrenbeweglichkeit. Dies ist hinsichtlich der allgemeinen Magen-Darm-Sicherheit von GLP-1-Rezeptoragonisten beruhigend zu wissen und stellt ein neues und etwas unerwartetes Ergebnis dar, da jegliche andauernde Verzögerung der Magenentleerung einen Säurerückfluss aus dem Magen in die Speiseröhre hätte erwarten lassen. Die Magensäurefreisetzung scheint unter beiden GLP-1-Rezeptoragonisten im Gegenteil sogar leicht vermindert zu sein, was vor einem Rückfluss bzw. einer Magenschleimhautentzündung schützen könnte.

*Diese Ergebnisse wurden bereits in einer wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht (Quast DR u. a. Diabetes Care 2020). Wenn Sie weitere Details der Studie interessieren, so können Sie sich gern an uns wenden.