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Insulintablette im Vergleich zur Spritze bei Typ 2 Diabetes

Geschrieben von Profil | 07.02.2019 12:39:29

Seit der Entdeckung des Insulins vor knapp 100 Jahren arbeiten Forscher an der Entwicklung von Insulin in Tablettenform. Dies würde für Menschen mit Diabetes, die täglich Insulin injizieren müssen, eine erhebliche Erleichterung bedeuten. Allerdings gibt es hierbei einige Schwierigkeiten zu überwinden – so ist Insulin ein großes Eiweißmolekül, das nach oraler Aufnahme als Tablette durch Proteasen (Enzyme) im Magen-Darm-Trakt abgebaut wird. Darüber hinaus behindert seine  Größe den Transport durch die Zellschicht der Magen-Darm-Schleimhäute.

Orales Insulin 338 ist ein lang wirkendes Basalinsulin-Analog, das mithilfe einer speziellen Technologie zusammen mit einem Absorptions-/ Aufnahmeverstärker als Tablette hergestellt wurde. Veränderungen in der Aminosäurestruktur bewirken hierbei eine geringere Anfälligkeit gegenüber den Verdauungsenzymen.

Warum wurde diese Studie durchgeführt?

Diese Machbarkeitsstudie beschäftigte sich mit der Frage, ob Basalinsulin-Tabletten (Insulin 338) bei Menschen mit Typ 2 Diabetes den Blutzucker vergleichbar mit einer herkömmlichen Basalinsulin-Spritze (Insulin glargin) senken können. Darüber hinaus wurden in dieser Studie Daten zur Sicherheit und Verträglichkeit der neuen Basalinsulin-Tabletten im Rahmen einer 8-wöchigen Behandlungsphase gesammelt.

Was geschah während der Studie?  

Insgesamt 50 Menschen mit Typ 2 Diabetes (mittleres Alter 60,5 Jahre, mittlere Diabetesdauer 11,2 Jahre), die bisher ausschließlich mit Tabletten behandelt worden waren und damit keine ideale Blutzuckereinstellung erreichen konnten (mittlerer HbA1c 8,2 %), erhielten 8 Wochen lang 1x täglich morgens (eine Stunde vor dem Frühstück) entweder Insulin 338 in Tablettenform oder eine Insulinglargin-Injektion.

Um sicherzustellen, dass während der Studie eine Verblindung hinsichtlich des Testmedikaments
bestand, wurde ein sogenanntes Double-Dummy-Design gewählt, d. h., die Studienteilnehmer bekamen sowohl Tabletten als auch eine Injektion, jedoch enthielt jeweils eine Behandlung (Injektion oder Tablette) ein Placebo (Scheinmedikament).
Zur Vermeidung einer etwaigen Beeinflussung wussten weder das unmittelbar an der Studie beteiligte Studienpersonal noch die Studienteilnehmer, welcher der beiden Gruppen sie – nach dem Zufallsprinzip – zugeordnet waren.

Eine vorbestehende Metformin-Behandlung, ggf. zusammen mit einem DPP-4-Hemmer, wurde beibehalten, andere orale Antidiabetika wurden in einer 2-wöchigen Auswaschphase vor Behandlungsbeginn abgesetzt. Die Insulindosen wurden 1x wöchentlich angepasst – gemäß einem Titrationsalgorithmus (Berechnungsmodell) basierend auf dem Nüchternzucker.

49 Teilnehmer beendeten die Studie. Die primäre Zielgröße (auch Endpunkt genannt) der Studie war der Nüchternzucker nach 8-wöchiger Therapie, sekundäre Zielgrößen beinhalteten u. a. Blutzuckertagesprofile und den Langzeitwert HbA1c. Die Sicherheits-Endpunkte waren unerwünschte Ereignisse*, Unterzuckerungen, Körpergewicht, Vitalzeichen, körperliche Untersuchung, EKG, Laborwerte und Insulin-Antikörper.

Was waren die Ergebnisse der Studie?

Es konnte in dieser Studie gezeigt werden, dass Insulin 338 in Tablettenform den Blutzucker vergleichbar, d. h. ohne statistisch bedeutsame Unterschiede, zu Insulin-glargin-Injektionen senkt: Der Nüchternzucker nach 8-wöchiger Therapie wurde, verglichen mit den Ausgangswerten, mit oralem Insulin 338 um 43 mg/dl gesenkt, mit Insulin glargin um 47 mg/dl. Auch die Blutzuckertagesprofile waren nicht bedeutsam verschieden, Gleiches galt für den HbA1c-Wert: Dieser betrug unter oralem Insulin 338 zum Studienende 7,38 %, unter Insulin glargin 7,08 %. Darüber hinaus war Insulin 338 gut verträglich. Die Häufigkeit unerwünschter Ereignisse war unter beiden Behandlungen vergleichbar, die meisten davon waren leichtgradig, und der Zusammenhang mit der Studienmedikation wurde als unwahrscheinlich bewertet. Es gab keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse und auch keine Studienabbrüche deswegen. Die Häufigkeit von Unterzuckerungen war gering: 7 unter oralem Insulin 338 und 11 unter Insulin glargin. Schwere Unterzuckerungen traten nicht auf. Es gab keine klinisch relevanten Auffälligkeiten bezüglich der übrigen Sicherheitsparameter.

Welche Bedeutung haben die Studienergebnisse?

Orales Insulin 338 konnte die Stoffwechselkontrolle bei vorher noch nicht mit Insulin behandelten
Teilnehmern mit Typ 2 Diabetes sicher und ohne Hinweis auf einen Unterschied zu subkutanem (unter die Haut gespritztem) Insulin glargin verbessern. Dies ist die erste Studie, die zeigen konnte, dass es möglich ist, ein Basalinsulin als Tablette einzunehmen und dabei eine klinische Wirksamkeit zu erreichen, die mit der derzeitigen Standardtherapie der subkutanen Basalinsulin-Injektion vergleichbar ist.

Es muss ergänzt werden, dass die weitere Entwicklung dieses speziellen oralen Insulinprojekts gestoppt wurde, da die Insulin-338-Dosen am Ende der 8-wöchigen Behandlung sehr hoch waren (die benötigte Menge von Insulin 338 zum Erlangen einer vergleichbaren Wirksamkeit entsprach etwa dem 58-Fachen von Insulin glargin). Daher wurde die Produktion der für den breiten Einsatz erforderlichen Mengen an Insulin 338 als kommerziell nicht zukunftsfähig angesehen. Technologische Verbesserungen, die eine Reduktion der erforderlichen Insulinmenge in einer Insulintablette ermöglichen, stehen im Fokus der aktuellen Forschung.

 

* Ein unerwünschtes Ereignis ist jedes medizinische Problem während der Studie, unabhängig davon, ob es in Zusammenhang mit der Studienmedikation stand oder nicht.
** Diese Ergebnisse wurden bereits in einer wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht (Halberg IB u. a., Lancet Diabetes Endocrinol 2019). Wenn Sie weitere Details der Studie interessieren, so können Sie sich gern an uns wenden.