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Dasiglucagon: Ein Glucagon-Analog der nächsten Generation

Geschrieben von Profil | 14.07.2021 09:45:00

Im Folgenden stellen wir Ihnen die Ergebnisse einer klinischen Phase-3-Studie vor, die die Anwendung von Dasiglucagon bei erwachsenen Studienteilnehmer*innen mit Diabetes mellitus Typ 1 untersucht hat. Die Phase 3 der Arzneimittelentwicklung dient der therapeutischen Bestätigung der Wirksamkeit und Sicherheit eines neuen Arzneimittels. Diese groß angelegten Studien werden für die Einreichung des neuen Arzneimittels zur Produktlizenzierung bei den Zulassungsbehörden benötigt.

Warum wurde diese Studie durchgeführt?

Glucagon lässt als Gegenhormon zu Insulin den Blutzucker ansteigen – es wird daher zur Behandlung schwerer Unterzuckerungen (Hypoglykämien) bei Menschen mit Diabetes eingesetzt. Ein Nachteil der seit vielen Jahren verfügbaren Glucagon-Formulierungen ist, dass das in Pulverform in einer Durchstechflasche vorliegende Glucagon mit Wasser aus einer Fertigspritze vor der Injektion in der Durchstechflasche gleichmäßig aufgelöst und dann wieder in die Fertigspritze aufgezogen werden muss. Für Angehörige oder Freunde, die einem nahestehenden Menschen mit Diabetes in einer schweren Unterzuckerung schnell helfen möchten, sind die Zubereitungsschritte des Notfallmedikaments eine Herausforderung.

Inzwischen ist in Deutschland auch Glucagon-Nasenpulver zur Behandlung schwerer Unterzuckerungen verfügbar.

Dasiglucagon ist das erste Glucagon-Produkt, das als gebrauchsfertige wässrige Formulierung vorliegt. Somit entfallen die oben beschriebenen mühsamen Zubereitungsschritte. Wie das körpereigene Glucagon besteht es aus 29 Aminosäuren, allerdings mit 7 veränderten Aminosäureresten – zur Erhöhung der physikalischen und chemischen Stabilität in wässriger Lösung.

Die hier beschriebene Studie* sollte die Überlegenheit hinsichtlich der Wirksamkeit und Sicherheit einer subkutanen (in das Unterhautfettgewebe verabreichten) Einzeldosis von 0,6 mg Dasiglucagon im Vergleich zu einem Scheinmedikament (Placebo) als Behandlung einer schweren Unterzuckerung aufzeigen. Darüber hinaus kam noch herkömmliches Glucagon in einem dritten Studienarm zur Anwendung.

Was geschah während der Studie?

Die Studie fand in 2 deutschen Zentren statt – bei Profil Neuss und Profil Mainz – sowie in jeweils einem Zentrum in Österreich, den USA und Kanada.

Insgesamt 168 Erwachsene mit Typ 1 Diabetes (63 % Männer, mittleres Alter 39 Jahre, mittlere Diabetesdauer 20 Jahre, durchschnittlicher HbA1c 7,4 %) erhielten am Dosierungstag entweder eine Einzeldosis Dasiglucagon (n=82) oder Placebo (n=43) oder herkömmliches Glucagon (n=43). Hierzu wurde mittels einer Insulininfusion zunächst der Blutzucker (Plasmaglukose) jedes Teilnehmers in einen Zielbereich von unter 60 mg/dl gebracht. Anschließend wurde den Teilnehmer*innen die nach einem zuvor festgelegten Zufallsprinzip zugeordnete Studienmedikation verabreicht, und zwar „doppelblind“, das heißt, weder der/die Studienteilnehmer*in noch der Prüfarzt wusste, welches der drei Studienmedikamente verabreicht wurde (im Notfall konnte dies nachgesehen werden). Die Zubereitung der Studienmedikation erfolgte durch entblindetes Personal. Außerdem wurde auch der Injektionsort nach dem Zufallsprinzip zugeteilt: Die Injektion erfolgte entweder subkutan in den Bauchbereich, in das Gesäß oder in den Oberschenkel.

Der Therapieerfolg war definiert als erster Anstieg der Plasmaglukose um mindestens 20 mg/dl oder mehr ab dem Zeitpunkt der Injektion und ohne Gabe von Traubenzuckerlösung in die Vene. 90 Minuten lang erfolgten engmaschige Blutzuckermessungen, darüber hinaus wurden Sicherheitsparameter bestimmt.  

Was waren die Ergebnisse der Studie?

Die durchschnittliche (mediane) Zeit von der Dosierung bis zu einem ersten Anstieg der Plasmaglukose um mindestens 20 mg/dl betrug für Dasiglucagon 10 Minuten, für das Scheinmedikament 40 Minuten. Für das Referenz-Glucagon lag diese Zeit bei 12 Minuten. Alle außer einem/einer Studienteilnehmer*in (99 %) erreichten mit Dasiglucagon eine Erholung der Plasmaglukose (erster Anstieg um mindestens 20 mg/dl) innerhalb von 15 Minuten nach Dosierung, im Gegensatz von nur 2 % der Studienteilnehmer*innen mit Placebo und 95 % mit herkömmlichem Glucagon. 10, 20 bzw. 30 Minuten nach Dosierung wiesen 65 %, 99 %, 100 % der mit Dasiglucagon behandelten Studienteilnehmer*innen einen Anstieg der Plasmaglukose um mindestens 20 mg/dl auf, bei herkömmlichem Glucagon waren dies 49 %, 98 %, 100 %. Der Injektionsort (Bauch, Gesäß, Oberschenkel) hatte keinen Einfluss auf die Zeit bis zur Erholung der Plasmaglukose unter den 3 Behandlungen.

Das Sicherheitsprofil für Dasiglucagon und herkömmliches Glucagon war vergleichbar – mit den bekannten Nebenwirkungen einer Glucagon-Behandlung wie Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen. Übelkeit trat in den beiden aktiven (Dasiglucagon/Glucagon) Gruppen bei 55 %/53 % der Studienteilnehmer*innen in einem Zeitraum von 1 bis 3 Stunden nach Dosierung auf und hielt in den meisten Fällen weniger als 3 Stunden an. Erbrechen (bei 23 %/ 21 %) trat etwas später – 2 bis 3 Stunden nach Dosierung – auf und hielt ebenfalls weniger als 3 Stunden an. Es gab keine schwerwiegenden therapiebedingten Nebenwirkungen. Die lokale Verträglichkeit an der Injektionsstelle war gut, es traten nur wenige Reaktionen auf: jeweils 2 Reaktionen bei 2 Studienteilnehmer*innen der Dasiglucagon- und der Placebo-Gruppe sowie 3 Reaktionen bei 3 Studienteilnehmer*innen der Gruppe mit herkömmlichem Glucagon. Alle Reaktionen an der Injektionsstelle waren leichtgradig und vorübergehend (z.  B. Rötung, Schwellung und Schmerz beim Ertasten).

Welche Bedeutung haben die Ergebnisse?

Diese Studie zeigt, dass erwachsene Studienteilnehmer*innen mit Diabetes mellitus Typ 1 bei einer durch Insulin herbeigeführten Unterzuckerung schnell und effizient mit 0,6 mg subkutan verabreichtem Dasiglucagon behandelt werden können. Im Vergleich zu Placebo zeigte Dasiglucagon bei allen untersuchten Aspekten einen bedeutsamen Behandlungsnutzen. Nach Dasiglucagon-Dosierung betrug die Zeit bis zum ersten Anstieg der Plasmaglukose um mindestens 20 mg/dl 10 Minuten, bei herkömmlichem Glucagon waren dies 12 Minuten. Ein zahlenmäßig größerer Anteil an Studienteilnehmer*innen erreichte innerhalb von 10, 15 und 20 Minuten nach Dasiglucagon-Dosierung eine Erholung der Plasmaglukose (65 %, 99 %, 99 %), verglichen mit herkömmlichem Glucagon (49 %, 95 %, 98 %). Die Zeit bis zum ersten Anstieg der Plasmaglukose erfasste nicht den Vorteil der Verabreichung des gebrauchsfertigen Dasiglucagon-Präparats gegenüber herkömmlichem Glucagon, das vor der Dosierung erst zubereitet werden muss.

In einer Studie mit Glucagon-Nasenpulver lagen die entsprechenden Zahlen für das Nasenpulver bei 21 %, 71 % und 90 %.

Das Sicherheitsprofil von Dasiglucagon entsprach dem von herkömmlichem Glucagon – mit Übelkeit und Erbrechen als häufigsten therapiebedingten Nebenwirkungen.

Zusammenfassend hat diese Studie bei Erwachsenen mit Diabetes mellitus Typ 1 gezeigt, dass Dasiglucagon eine mit Insulin herbeigeführte Unterzuckerung rasch und zuverlässig beheben kann. Die gebrauchsfertige wässrige Zubereitungsform von Dasiglucagon hat das Potenzial, im Fall einer schweren Hypoglykämie schnell und zuverlässig Hilfe zu bieten.

Diese Ergebnisse wurden bereits in einer wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht (*Pieber TR G u. a. Diabetes Care 2021). Wenn Sie weitere Details der Studie interessieren, können Sie sich gern an uns wenden.