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Bier oder Wein? Oder beides? Und in welcher Reihenfolge?

Geschrieben von Profil | 27.02.2020 09:22:45

Inwieweit hängt der Schweregrad des Katers von der Kombination und Reihenfolge des Konsums von Bier und Wein ab? Eine aktuelle Studie hat die Auswirkungen untersucht.

„Bier auf Wein, das lass sein; Wein auf Bier, das rat´ ich dir“ – eine gängige Volksweisheit, die in vielen Ländern und Sprachen regelmäßig in Bezug auf den Konsum von alkoholischen Getränken herangezogen wird. Aber ist das lediglich eine Redewendung oder gibt es wissenschaftliche Beweise für dieses Konzept?

Wissenschaftler der Universität Witten / Herdecke und der Universität Cambridge untersuchten diese Redensart und veröffentlichten die Ergebnisse Anfang 2019 im American Journal of Clinical Nutrition [1].

Durchführung

In dieser Single-Center-Studie – einer Studie, die in nur einem klinischen Zentrum durchgeführt wird – wurden die Studienteilnehmer abhängig von Alter, Geschlecht, Körperbau, Alkoholverhalten und Häufigkeit von Katern nach Konsum von alkoholischen Getränken in Dreiergruppen eingeteilt. Danach wurden sie in eine von zwei Behandlungsgruppen und eine Kontrollgruppe unterteilt (Verhältnis 1:1:1). Die Behandlung der ersten Gruppe bestand darin, Bier bis zu einer Atemalkoholkonzentration (BrAC) von ≥ 0,05 % und anschließend Wein bis zu einer BrAC von ≥ 0,11 % zu konsumieren (umgekehrt für die Behandlung der zweiten Gruppe). Die Studienteilnehmer aus der Kontrollgruppe konsumierten entweder nur Bier oder nur Wein. An einem zweiten Behandlungstag (≥ 1 Woche später) wurden die Studienteilnehmer der Behandlungsgruppe auf die entgegengesetzte Trinkreihenfolge umgestellt. Die Studienteilnehmer der Kontrollgruppe, die beim ersten Mal nur Bier tranken, erhielten am zweiten Studientag nur Wein (und umgekehrt) – beide Getränke wurden konsumiert bis eine BrAC von ≥ 0,11 % erreicht war.

Bei dem in der Studie verwendeten Bier handelte es sich um ein Premium-Lagerpils von Carlsberg (Alkoholgehalt 5 %), das für die Studienteilnehmer kostenlos war. Carlsberg hatte keinen Einfluss auf das Studiendesign. Außerdem wurde ein Edelgräfler Qualitätsweißwein aus 2015 mit einer Alkoholkonzentration von 11,1 % verwendet.

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Die primäre Zielgröße (auch Endpunkt genannt) war der Schweregrad des Katers, der am Tag nach dem Alkoholkonsum mit der Acute Hangover Scale (eine Skala zum Maß der Kater-Symptome) bewertet wurde. Dazu wurden acht Symptome (Durst, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Bauchschmerzen, Herzrasen und Appetitverlust) mit einer Intensität von 0 bis 7 bewertet, nachdem die BrAC auf Null gefallen war. Sekundäre Endpunkte waren Faktoren, die mit der Katerintensität zusammenhängen, wie z. B. Demographie, Laborparameter.

Am Behandlungstag erhielten die Studienteilnehmer eine standardisierte Mahlzeit, die am alters- und geschlechtsspezifischen Energiebedarf berechnet wurde. Zu regelmäßigen Zeitpunkten wurden die Studienteilnehmer nach ihrem Wohlbefinden befragt. Am Ende jeder Behandlung wurden die Studienteilnehmer aufgefordert zu beurteilen, inwieweit sie betrunken waren. Nach Abschluss der Behandlung erhielten alle Teilnehmer eine individualisierte Menge Wasser (6 ml / kg Körpergewicht), die vor dem Schlafengehen am Studienort getrunken werden musste. Die Schlafdauer und die Raumtemperatur wurden für alle Studienteilnehmer standardisiert.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 90 Teilnehmer in die Studie eingeschlossen (Behandlungsgruppe 1 n=31, Behandlungsgruppe 2 n=31, Kontrollgruppe n=28). Die Studienteilnehmer waren zwischen 19 und 40 Jahre alt (durchschnittliches Alter = 23,9 Jahre) und hatten eine ähnliche Geschlechterverteilung in den drei Gruppen. Der mittlere Alkoholkonsum lag bei „mehrmals im Monat“ und die Häufigkeit eines Katers wurde zwischen „selten“ und „einige Male im Monat“ eingestuft. Die Studienteilnehmer der Behandlungsgruppe mussten durchschnittlich 1,4 Liter Bier trinken, um eine BrAC von ≥ 0,05 zu erreichen und daraufhin 0,7 Liter Wein, bis insgesamt zu einer BrAC von ≥ 0,11 %. Die Alkoholmengen waren ähnlich in der umgekehrten Reihenfolge (erst Wein, dann Bier), aber die Umstellung von Wein auf Bier erfolgte früher.

Weder die Art noch die Reihenfolge der konsumierten alkoholischen Getränke beeinflussten die Katerintensität signifikant (p > 0,05).

Keine der drei Gruppen zeigte eine signifikant unterschiedliche Bewertung der Acute Hangover Scale mit den unterschiedlichen Reihenfolgen der Getränke. Interessanterweise gaben Frauen an beiden Behandlungstagen an einen stärkeren Kater zu haben als Männer (p = 0,009). Ein multivariates lineares Regressionsmodell bestimmte die Faktoren, die den größten Einfluss auf den Schweregrad des Katers hatten. Als Ergebnis offenbarte das Modell, dass das Auftreten von „Erbrechen” und „wahrgenommener Betrunkenheit“ als nützliche Prädikatoren für alkoholbedingten Kater angesehen werden können. Die vor und nach dem Eingriff durchgeführten Blut- und Urintests zeigten keinen signifikanten Unterschied zwischen den drei Gruppen (p > 0,05).

Fazit

Die Studie konnte aufzeigen, dass weder die Reihenfolge noch die Art des alkoholischen Getränks einen Einfluss auf den Schweregrad des Katers haben. Bisher ist die genaue Ursache des alkoholbedingten Katers nicht vollständig geklärt. Es gibt jedoch zahlreiche mögliche Ursachen wie Dehydration, entzündungsfördernde Zytokinstörungen (Zytokine unterstützen die Steuerung der körpereigenen Immunabwehr) sowie Stoffwechselstörungen [2, 3]. Darüber hinaus kann der Kater mit anderen Bestandteilen als dem reinen Alkohol im Getränk in Verbindung gebracht werden – z. B. mit Substanzen, die Getränke einfärben und aromatisieren. Außerdem ist es wahrscheinlich, dass individuelle Toleranzen (z. B. Erbfaktoren) und die Gewöhnung an den Alkoholkonsum eine Rolle bei der Veranlagung zum Kater spiele. 

Was bedeutet also die o. g. Redewendung aus dem Mittelalter? In der Vergangenheit ging es bei dem Sprichwort nicht darum einen Kater zu verhindern, sondern um eine allgemeine Aussage zum sozialen Fortschritt: Menschen, die Bier tranken, gehörten in der Regel zu ärmeren Gesellschaftsschichten, wohingegen wohlhabende Menschen Wein tranken. Mit der „Empfehlung“ Wein nach Bier zu trinken ist nichts anderes als ein sozioökonomischer Aufstieg gemeint; im Gegensatz zum Konsum von Bier nach Wein, bei dem man den Status in der Gesellschaft verliert.