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Arbeitsstress ist das neue Rauchen

Geschrieben von Profil | 14.11.2018 14:26:00

Gemäß der Weltgesundheitsorganisation WHO (World Health Organization) können ca. 31 % aller Todesfälle weltweit (17,7 Mio. Todesfälle pro Jahr) [1] auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückgeführt werden. Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind somit die Todesursache Nummer 1 weltweit. Bekannte Risikofaktoren für die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind unter anderem Rauchen, hoher Blutdruck oder Bewegungsmangel. Vor allem Letzterer wurde in den vergangenen Jahren häufig diskutiert.

Es ist bekannt, dass langes Sitzen [2] das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes steigern könne und scheinbar sogar die Sterblichkeit im Falle des so genannten Binge Watchings (=“Komaglotzen“) erhöht [3]. Es sind viele Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bekannt und es existieren etliche Empfehlungen und Richtwerte dafür, wie mit ihnen umzugehen ist. Ein Aspekt jedoch, der heutzutage möglicherweise einer der häufigsten und wichtigsten Faktoren für die Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist, wurde bisher nicht viel Beachtung geschenkt: Stress am Arbeitsplatz.

Neue Daten

Ein Team des Individual-Participant-Data-(IPD)-Work Konsortiums veröffentlichte jetzt eine Studie im Magazin „The Lancet Diabetes & Endocrinology“ [4]. Darin wurde der Effekt von arbeitsbezogenem Stress auf die Sterblichkeit bei Menschen mit und ohne bereits vorliegende Risikofaktoren (z. B. Diabetes, Erkrankungen der Herzkranzgefäße oder frühere Schlaganfälle) untersucht.

Die Forscher prüften sieben unabhängige Kohortenstudien und sammelten Informationen zu Arbeitsstress, Sterblichkeit und herkömmlichen Herz-Kreislauf-Risikofaktoren wie Rauchen, Alkoholkonsum und dem Body Mass Index (BMI). Dabei wurden zwei Indikatoren für allgemeinen Arbeitsstress untersucht: Berufliche Belastung (d. h. hohe Anforderungen in Kombination mit geringer Kontrolle) und das Ungleichgewicht zwischen Anstrengung und Belohnung bei der Arbeit. Beide Faktoren wurden durch validierte Fragebögen erfasst.

Die geprüften Studien wurden zwischen 1985 und 2002 durchgeführt und beinhalteten Daten von 105.284 Teilnehmern, von denen 102.663 geeignet waren. Zu Beginn lag eine berufliche Belastung bei 12,2 % der Männer mit existierender Herz-Kreislauf-Erkrankung vor. 

Bei Männern ohne eine Herz-Kreislauf-Erkrankung war der Arbeitsstress nur leicht mit einem erhöhten Sterblichkeitsrisiko verknüpft. Dagegen war die berufliche Belastung bei Männern mit einer bestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankung mit einem erhöhten Sterblichkeitsrisiko verbunden (149,8 von 10.000 Personenjahre versus 97,7 von 10.000 Personenjahre, d. h. wir sprechen von einem ca. 50 % erhöhten Sterblichkeitsrisiko bei Männern mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen). Zum Vergleich: Das Sterblichkeitsrisiko für Raucher lag bei 164 pro 10.000 Personenjahre (versus 89,4 bei Nichtrauchern und 83,5 pro 10.000 Personenjahre bei ehemaligen Rauchern). Bei Frauen sowohl mit als auch ohne Herz-Kreislauf-Erkrankungen gab es keine Verbindung zu einem erhöhten Sterblichkeitsrisiko.

Bei der Untersuchung der Todesrate im Zusammenhang mit der Arbeitsbelastung bei Männern mit Herz-Kreislauf-Vorerkrankungen konnte gezeigt werden, dass die Sterblichkeitsunterschiede bei Männern mit und ohne starke Arbeitsbelastung vergleichbar mit denen von Rauchern und Nicht- / ehemaligen Rauchern waren (52,1 versus 78,1 pro 10.000 Personenjahre). Der Unterschied blieb bestehen, egal ob die Teilnehmer Risikofaktoren wie hohe Cholesterinwerte, Fettleibigkeit, Bewegungsmangel, hohen Alkoholkonsum oder Bluthochdruck aufwiesen.

Zu guter Letzt wiesen auch Männer mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen aber günstigem Risikoprofil (z. B. nicht-übergewichtig, normale Cholesterinwerte, körperliche Aktivitäten) ein zwei- bis sechsmal höheres Sterberisiko auf, wenn sie beruflicher Belastung ausgesetzt waren.

Zusammenfassung

Dies ist die größte Studie ihrer Art, die zeigt, dass Männer mit bestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes ein erhöhtes Risiko haben frühzeitig aufgrund von beruflicher Belastung zu sterben. Während für Risikofaktoren wie Blutfettwerte, Blutdruck, Fettleibigkeit, Rauchen, Alkoholkonsum oder Bewegungsmangel eine Menge Empfehlungen [5] vorliegen, gibt es bis jetzt noch keine klaren Richtlinien, welches Maß an Arbeitsstress tolerierbar ist und wann etwas unternommen werden sollte (und wenn, welche Schritte?).

Der Grund, warum eine berufliche Belastung zu einem erhöhten Sterblichkeitsrisiko insbesondere bei Männern mit Herz-Kreislauf-Vorerkrankungen beiträgt, während der Arbeitsstress das Sterblichkeitsrisiko bei gesunden Männern nur leicht erhöht, bleibt unklar. Dennoch könnte diese Studie der erste Schritt in Richtung eines Paradigmenwechsels sein, wie wir in der Zukunft beruflichen Stress wahrnehmen, diagnostizieren und bewältigen.